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EZB - Geldpolitik: Klappe, die Dritte!

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

Die Reaktion der Märkte auf die Entscheidungen des EZB-Rates am Donnerstag lässt aufhorchen. Denn nach einigen Minuten Jubel über den nächsten dicken Schluck aus der Liquiditätsflasche dämmerte es den Marktteilnehmern, dass bei dieser neuen Dosis eines zunehmend unwirksamen Medikamentes die Prognose für den Patienten bedeutend schlechter sein muss als bisher angenommen. Ergo: Aktien, Zinsen und Euro runter.

 

Warum? Die EZB rechnet für 2019 im Euroraum nun mit einem deutlich schwächeren BIP-Wachstum von 1,1 % statt bisher 1,7 %.  Und auch die Inflationsprognosen wurden gesenkt, für 2019 von 1,6 % auf 1,2 % und für 2020 von 1,7 % auf 1,5 %. Der auf die Prognoseänderung folgende Satz in der Pressemitteilung der EZB ist allerdings eine Bankrotterklärung: ,,Der EZB-Rat geht inzwischen davon aus, dass die EZB-Leitzinsen mindestens über das Ende 2019 und in jedem Fall so lange wie erforderlich auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden, um eine fortgesetzte nachhaltige Annäherung der Inflation an ein Niveau von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht sicherzustellen.‘‘

 

Das bedeutet aber nichts anderes, als dass bei nicht hinreichender Inflationsrate jede verzweifelte geldpolitische Maßnahme gerechtfertigt ist. Das bedeutet auch, dass das reale Wirtschaftswachstum der Eurozone 2019 - 0,1 % betragen wird, negative Überraschungen inklusive! Um günstige Liquiditätsbedingungen aufrechtzuerhalten, legt die EZB die Fälligkeiten der im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten erworbenen Wertpapiere bis deutlich nach dem Beginn einer hypothetischen Zinserhöhung hinaus und so lange wie erforderlich wieder vollständig an und verunmöglicht weiterhin eine echte schuldneranhängige Kreditrisikobepreisung am Kapitalmarkt. Und schließlich wurde eine dritte Serie langfristiger Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO3) ab September 2019 bis März 2021 mit zweijähriger Laufzeit angekündigt, deren Bedingungen jedoch weniger generös ausfallen als jene der ab 2020 fälligen TLTRO2.

 

Es scheint, als ob die Märkte in den Entscheidungen der EZB etwas zunehmend Verzweifeltes erkennen, ähnlich wie bei einem Arzt, der merkt, dass sein Reserveantibiotikum nicht mehr wirkt. Da es aber im Kern bei der Effektivität und Stabilität von Institutionen eben um Vertrauen geht, wird deutlich, dass der Weg hin zu etwas fundamental anderem kürzer sein könnte als gedacht. Die Gedankenspiele des IWF und der EZB zur Einschränkung bzw. Abschaffung des Bargeldes und unwirksame Negativzinsen zeigen an, dass bei bisher geltenden Regeln und Standards für Bilanz- und Liquiditätsrisiken bald einige europäische Banken an die finanzielle Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden könnten. Denn im Kern ist die aktuelle Situation immer noch eine seit der Finanzkrise 2008 verschleierte und verschleppte Bankenkrise. Es ist deshalb auch keine Überraschung, dass zu Handelsschluss am Donnerstag 6 der 10 schwächsten Werte im Eurostoxx50 Banken waren. Es grenzt schließlich schon an einen Zaubertrick, bei dieser Zinsstrukturkurve noch sinnvoll Fristentransformation, das Kerngeschäft der Banken, betreiben zu können.

 

Die Attraktivität des Euroraumes für globale Finanzströme hat mit der EZB-Entscheidung ebenfalls weiter abgenommen, denn mit dem erwarteten negativen Realwachstum für 2019 könnten stark steigende Kreditrisiken auf ein unterkapitalisiertes Bankensystem treffen. Ein weiterer Aspekt dieser Art von Liquiditätspolitik ist, dass das Volumen für eine Downgrade-Lawine in den Junkbond-Bereich hinein besorgniserregend zunimmt. Dies hat durchaus das Potenzial, eine sich selbst verstärkende Dynamik zu entwickeln, wodurch eine Rating-basierte Anlagepolitik zum Brandbeschleuniger für eine Liquiditätskrise am Anleihemarkt werden könnte.

 

Die Reaktion des Euro-Dollar-Wechselkurses bestätigt dies, und zwar nicht nur wegen einer wieder steigenden Zinsdifferenz. Der Kurs unterschritt am Donnerstag den Tiefstkurs der bisherigen Konsolidierung vom 12.11.2018 bei 1,1216 US-Dollar. Sollte die Unterstützungszone vom Mai 2017 bei ca. 1,1170 US-Dollar ebenfalls unterschritten werden, ist ein mittelfristiger Rückgang bis zum Zyklustief vom Dezember 2016 im Bereich von 1,04 US-Dollar möglich. Und all das, obwohl auch die US-Notenbank ,,geduldig‘‘ mit weiteren Zinserhöhungen geworden ist und China per Dekret das Liquiditätsfüllhorn weit geöffnet hat.

 

Fazit: Die extreme Geldpolitik der EZB führt kaum noch zu Wirtschaftswachstum, aber auf jeden Fall zu weiterem Vertrauensverlust in die Wirksamkeit ihrer Geldpolitik. Sparer erhalten keinen Marktzins, Schuldner zu billig Kapital, das Realwachstum nimmt ab und die Kreditrisiken nehmen zu. Man könnte es auch so ausdrücken: Die derzeitigen Zahlen für Non-performing-Loans im Euroraum und der auf deren Basis kalkulierte Rekapitalisierungsbedarf der Banken sind nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Der EZB steht die strategische Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Und so erscheint die aktuelle EZB-Entscheidung wie der After-Burner eines Formel-1 Wagens vor dem Aufprall auf die Betonmauer.

 

07.03.2019 - Arndt Kümpel - a.kuempel@emh-group.de

 

 

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