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Italiens Zahlenakrobatik

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

Das ging aber schnell: Noch auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizerischen Davos Ende Januar hatte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte seine Schätzung aufrechterhalten, die italienische Volkswirtschaft werde es den Zweiflern zeigen und in diesem Jahr um bis zu 1,5 % wachsen.

Nun ist ,,bis zu 1,5 %‘‘ ja ein Höchstwert auf der nach unten offenen Überraschungsskala und ist wohl mehr für die Medienkommunikation geeignet als für belastbare Wirtschaftspolitik. Diese Schätzung war jedoch die Basis für die von der EU abgelehnte Haushaltsprognose für 2019. Nach wochenlangem Gerangel hatte sich Italien schließlich mit der EU-Kommission im Dezember 2018 auf ein Budget verständigt, dem ein Wirtschaftswachstum von 1 % zugrunde lag.

 

In der am vergangenen Mittwoch veröffentlichten Winterprognose der EU revidierte diese nun ihre Prognose für Italien von 1,2 % aus der Herbstschätzung auf 0,2 %, was die Kalkulation des Budgetentwurfs vom Dezember zur Makulatur werden lässt. Es dürfte deshalb nur eine Frage der Zeit sein, wann die Spannungen zwischen Italien und der EU in der Wirtschaftspolitik wieder steigen.

Derweil fordert der lettische EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis schon mal wieder von Italien ,,umfassende Strukturreformen und entschlossenes Handeln, um den hohen öffentlichen Schuldenstand zu senken.‘‘ Es wäre nur folgerichtig, wenn die EU-Kommission bei der Frühjahrsprognose im April von Italien Korrekturen am Haushalt verlangt. Es ist allerdings möglich, dass Italien und die EU im Dezember die inoffizielle Absprache getroffen haben, dass man damit bis nach den Europawahlen im Mai abwartet. Kann dieser Zweck diese Mittel heiligen?

 

Fakt ist, dass die italienische Koalitionsregierung aus Lega und Cinque Stelle lieber erklärt, ihre Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zur Erhöhung der Renten würden das Wirtschaftswachstum im Jahresverlauf schon ankurbeln. Zudem verweist sie im Zweifelsfall auf das Versagen der Vorgängerregierung. Tatsache ist jedoch auch, dass die aktuelle Koalition nichts unternimmt, um die strukturellen Probleme zu lösen. Dies verringert das Vertrauen der Unternehmen und dürfte die Investitionen zusätzlich schrumpfen lassen.

Was allerdings steigen dürfte, sind die Schulden, denn die expansive Haushaltspolitik ist die andere Seite der Gleichung, die mit der Phantomschätzung von 1,2 % Wachstum für 2019 überhaupt erst europapolitisch durchgedrückt werden konnte. Kompromiss oder taktische Lüge?

 

Die Staatsverschuldung Italiens betrug 2018 2,3 Billionen Euro. Hierin sind die Schulden des Zentralstaats, der Länder, der Gemeinden und Kommunen sowie der Sozialversicherungen enthalten. Doch wer hält denn eigentlich diese Schulden? Denn schließlich bildet die Zusammensetzung von Gläubigern und ihre gegenseitige Beziehung zum Schuldner ein Netz von Wechselwirkungen über die Refinanzierungskosten, die Refinanzierungsrisiken und die Finanzstabilität.

Der Anteil, den die Notenbank Italiens an italienischen Staatsanleihen hält, ist durch die EZB-Kaufprogramme von 2015 bis 2018 von 5,8 % auf 19,3 % gestiegen. Die Notenbank kaufe diese Anleihen inländischen Banken, anderen inländischen Nichtbanken und ausländischen Besitzern ab. Gleichwohl besitzen inländische Banken und andere Inländer noch rund 47 % der italienischen Staatsanleihen und liegen damit deutlich über dem vergleichbaren Wert Spaniens mit rund 34 %, Frankreichs mit rund 26 % und Deutschlands mit ca. 15 %.

 

Ungeachtet dessen betrug die absolute Höhe der vom Ausland gehaltenen privaten und öffentlichen Schulden Italiens Mitte 2018 rund 425 Mrd. Euro. Davon wurden 285,5 Mrd. Euro in Frankreich, 58,7 Mrd. Euro in Deutschland, 25,2 Mrd. Euro in Belgien und 21,4 Mrd. Euro in Spanien gehalten. Von den in Frankreich gehaltenen Schulden hielt 143,2 Mrd. Euro die BNP Paribas, 97,2 Mrd. Euro die Credit Agricole und 21,2 Mrd. Euro die Societe Generale. Die größten Gläubiger in Deutschland waren die Deutsche Bank mit 29,6 Mrd. Euro und die Commerzbank mit 12,4 Mrd. Euro. Andernorts hatten die belgische Dexia mit 23,1 Mrd. Euro, die spanische BBVA mit 13,2 Mrd. Euro und die englische Barclays Bank mit 17,4 Mrd. Euro nennenswertes Exposure. Von den italienischen Banken waren Unicredit mit 66,3 Mrd. Euro, Intesa Sanpaolo mit 47,3 Mrd. Euro die Banca Monte dei Paschi di Siena mit 25 Mrd. Euro die größten Gläubiger.

Wo die schwächste Stelle in diesem Beziehungsnetz liegt, lässt sich mit einem Blick auf die Aktienkurse der jeweiligen Banken leicht erahnen. Ohne massive Ausgabenkürzungen muss Italien jährlich rund 400 Mrd. Euro Schulden refinanzieren. Ein Vertrauensverlust der Gläubiger in die Schuldentragfähigkeit Italiens würde durch die Kursrückgänge der Anleihen die Kapitalbasis der Banken erodieren lassen und diese zwingen, mehr Kapital vorzuhalten, um Zugang zur Liquidität durch die EZB zu erhalten.

 

Fazit: Italien tanzt auf der Bonitätsklinge. Die Banken in Italien und Frankreich sind potentiell das schwächste Glied in der Kapitalkette. Eine Schuldenkrise Italiens mit seinem Refinanzierungsbedarf von 400 Mrd. Euro jährlich würde die Gesamtkapazität des Europäischen Stabilitätsmechanismus mit rund 410 Mrd. Euro deutlich überfordern und die Eurozone vor eine Zerreißprobe stellen. Ein besserer Wink mit dem Zaunpfahl, was eine europäische Haftungsgemeinschaft durch die Hintertür ESM bedeuten würde, lässt sich wohl kaum finden. Und ein besserer Grund, über Vermögenswerte ohne Gegenparteienrisiko wie Gold, Silber & Co. nachzudenken, deshalb auch nicht.

 

08.02.2019 - Arndt Kümpel - a.kuempel@emh-group.de

 

 

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